Geschichte der Regensburger Domorgeln

Die früheste Erwähnung eines “Orgelmeisters Rudiger” datiert auf das Jahr 1276. Ob sich zu der Zeit eine Orgel im Dom befand, der nach dem Brand von 1273 wiederaufgebaut wurde, gilt als nicht sicher. Erst ab dem 16. Jahrhundert waren Domorganisten nachweisbar, unter anderem 1538 Hans Ott und 1577 ein “Meister Leonhard”, der die Orgel reparierte. Vielfach übten bis Ende des Jahrhunderts die Domschulmeister auch das Amt des Domorganisten aus, von denen der gebürtige Schwandorfer Johann Pühler (gest. 1591/92) der bekannteste ist.
Vom 7. Februar 1614 existiert eine Eintragung in den Domkapitelprotokollen, nach der ein Orgelmacher namens Spatz (Bartholomäus Spatz stammte aus dem schwäbischen Bobingen und war seit 1604 in Regensburg tätig) eine Bezahlung für das Stimmen zweier Regale erhielt. Es müssten sich also Anfang des 17. Jahrhunderts zwei Orgeln im Dom befunden haben, wobei der Begriff “Regal” ursprünglich eine transportable Orgel mit kurzbechrigen oder becherlosen Zungenstimmen bezeichnete. Ein Kupferstich von 1630 zeigt nicht nur den seit 1320 im Dom vorhandenen Lettner, der bei festlichen Anlässen die Musiker beherbergte, auf diesem ist auch eine Orgel zu erkennen, die wohl zu diesem Zweck dort hinauf transportiert wurde. Auf einem weiteren Stich von 1653 sieht man noch deutlicher ein Instrument.
Da eine der beiden Orgeln kaum noch zu reparieren war, schaffte man den Quellen zufolge 1633 für 2000 Gulden ein neues Werk an. Dies fiel in die Regierungszeit des Bischofs Albert IV. von Törring (1613 – 1649), der die seit 1525 ruhende Bautätigkeit im Dom wiederaufnahm. 1618 wurden die drei westlichen Mittelschiffjoche eingewölbt und eine neue Glocke für einen der Domtürme gegossen. Das Bauwerk erfuhr eine barocke Innenausstattung, 1644 brach man den Lettner ab und ersetzte ihn durch ein schmiedeeisernes Chorgitter. Nun sahen die Kirchenbesucher zwar den Chorraum, die Musiker benötigten allerdings einen anderen Platz. Statt des Lettners errichtete man zwei Musikgalerien in der Vierung, von denen auf einer, wie auf einem Kupferstich von 1720 zu erkennen, eine barocke Orgel steht. Diese könnte das oben genannte Instrument sein, was aber den Quellen zufolge 1770 als äußerst desolat dargestellt wird. Das Gutachten stammt vom Orgelbauer Franz Jakob Späth (1714 – 1786), der 1747 das Bürgerrecht erhalten hatte und die Werkstatt seines Vaters Jakob Späth (1672 – 1760) fortführte. Späth schlug einerseits eine Reparatur, aber auch einen Neubau mit 16 Registern vor. Nach dem Vertragsschluss 1771 erfolgte ein weiterer Vorschlag mit 24 Registern, der vom Domkapitel genehmigt wurde. Allerdings wurde der Plan Späths, die Orgel auf eine neu zu errichtende Westempore zu setzen, vom damaligen Bischof Anton Ignaz Graf von Fugger abgelehnt. Das neue Instrument kam also am selben Platz zum Stehen, wobei die Südempore wegen Baufälligkeit erneuert werden musste. Am 26. Oktober 1774 gab das Domkapitel den Abschluss der Arbeiten bekannt und die Orgel wurde am 21. November desselben Jahres zum ersten Mal im Gottesdienst gespielt. 1775 erhielt sie auch noch eine Farbfassung durch den Rokoko-Maler Matthias Schiffer (1744 – 1827). Die alte Orgel wurde während der Bauarbeiten durch Späth auf die Nordempore versetzt, notdürftig repariert und blieb dort nach Fertigstellung des neuen Instruments auch stehen.
Nachdem der damalige König Ludwig I. 1830 angeordnet hatte, dass der Chorgesang und die Chormusik in den Kirchen “nach dem älteren guten Style wieder herzustellen” sei, wurde auch die bis dahin barocke Innenausstattung regotisiert. Die beiden Musikemporen und damit auch die Orgel Späths wurden 1835 abgebrochen. In der Folge rang man um den Aufstellungsort einer neuen Orgel. Ludwigs Architekt Friedrich von Gärtner (1791 – 1847) schlug bereits 1836 eine Aufstellung der Orgel hinter dem Silberaltar vor, welche vom Domkapitel abgelehnt wurde. Der amtierende Bischof Franz Xaver Schwäbl (1777 – 1841, im Amt seit 1833) setzte sich dagegen für eine neu zu errichtende Empore über dem Hauptportal ein, welche der König aber nicht genehmigte, da sie den gotischen Dom entstelle. So wurde Johann Heinssen beauftragt, eine Orgel mit 13 Registern hinter dem Hochaltar aufzustellen. Details über das Instrument sind nicht erhalten, gespielt wurde sie hauptsächlich vom Domorganisten Joseph Hanisch (1812 – 1892), der bereits mit 17 Jahren die Stelle erhielt, aber nur provisorisch angestellt war.
Nach dem Tod Hanischs wurde ab 1893 Joseph Renner jun. (1868 – 1934) neuer Domorganist. Da die Orgel Heinssens nach mehr als 50 Jahren Einsatz ziemlich verbraucht war, wandte sich Renner mit der Forderung nach einer neuen Domorgel 1899 an das Domkapitel. Dieses bauftragte drei Sachverständige (Stiftskanoniker Michael Haller (1840 – 1015), Kirchenmusikschuldirektor Franz Xaver Haberl (1840 – 1910) und Domkapellmeister Franz Xaver Engelhart (1861 – 1924)), ein Gutachten über das bestehende Instrument abzugeben. Alle drei kamen übereinstimmend zu dem Schluss, dass ein Neubau absolut notwendig sei. Besonders Haberl machte zwei Vorschläge, deren erster die Errichtung einer Sängertribüne am östlichen Ende des nördlichen Seitenschiffes und eine darauf stehende Orgel mit ca. 45 Registern, der zweite eine Orgel mit 16 bis 18 Registern an der Rückwand der östlichen Apsis vorsah. Engelhart vertrat die Meinung, die Orgel müsse getrennt zu beiden Seiten des Hochaltars aufgestellt werden. Domdekan Georg Jakob, der um das Schlussplädoyer gebeten wurde, lehnte jedoch alle Ansinnen nach einer Vergrößerung der Domorgel aus den bekannten Gründen ab. So wurde von der Orgelbaufirma Martin Binder & Sohn abermals hinter dem Hochaltar ein neues Werk mit 17 klingenden Stimmen aufgestellt, allerdings mit 2 Manualen und Pedal. Eingeweiht wurde das Instrument am 22. November 1905.
Karl Kraus (1895 – 1967), ein gebürtiger Lindauer (Bodensee) vertrat immer öfter Joseph Renner und wurde nach dem Tod Renners 1934 sein Nachfolger als Domorganist und Dozent an der Kirchenmusikschule. Er initiierte auch als erster Orgelkonzerte in katholischen Kirchen Regensburgs. Ab 1947 trat er für eine Modernisierung und Vergrößerung der Orgel ein. Der Orgelsachverständige, Pfarrer Joseph Wörsching kam zu dem Schluss, dass die Orgel zu grundtönig sei und dringend ein drittes Manual benötige. Karl Kraus machte den Vorschlag, zur bestehenden Orgel eine große Hauptorgel zu errichten, welcher aber vom Domkapitel nicht weiter verfolgt wurde. Stattdessen erweiterte die Fa. Eduard Hirnschrodt und Sohn (Nachfolger der Fa. Binder) 1950 das Instrument auf 39 Register. wobei die pneumatische Traktur elektrifiziert wurde.
Das 2. Vatikanische Konzil stellte die aktive Teilnahme der Gläubigen an der Eucharistiefeier in den Vordergrund und damit auch den von der Orgel begleiteten Gemeindegesang. Eberhard Kraus (1931 – 2003), der 1964 als Domorganist seinem Vater nachfolgte, befand die hinter dem Hochaltar stehende Orgel als zu schwach für den Gemeindegesang und setzte sich für einen Orgelneubau, bestehend aus Hauptorgel an der Nordwand des Querschiffs, einem Auxiliaire an der Westwand und dem Standort einer Chororgel hinter dem Hochaltar mit insgesamt 114 Registern ein. Wegen der zu erwartenden Kosten von 900.000 DM wurde er ersucht, das Konzept zu verkleinern, wobei er auf das Auxiliaire komplett verzichtete. Die Schweizer Orgelbaufirma Mathis & Söhne legte 1983 einen Entwurf mit einem neobarocken Gehäuse an der Westwand vor, wobei auf die statischen Probleme der Befestigung einer Orgel mit ca. 32 Tonnen hingewiesen wurde. Wegen der gleichzeitig zu errichtenden Bischofsgruft, die nicht unter dem Hochaltar, sondern unter dem Mittelschiff gebaut wurde, der erwähnten Statikprobleme und denkmalpflegerischen Bedenken kam dieses Projekt nicht zur Ausführung. Es entstand auch ein Disput, ob die hinter dem Hochaltar stehende Chororgel saniert oder durch einen Neubau ersetzt werden sollte. Letztlich entschied man sich für einen Neubau mit 43 Registern durch die Fa. Mathis, wobei das Positiv in einem eigenen Gehäuse rechts neben dem Hochaltar platziert wurde. Eingeweiht wurde dieses Instrument am 17. September 1989.
Als 1996 der neue Domorganist Franz Josef Stoiber seine Stelle antrat, wurde auch schnell wieder klar, dass die Chororgel nur einen Teil des Doms beschallen kann und eine neue große Hauptorgel weiterhin notwendig sei. Ab 2003 begann man mit der Planung des neuen Instruments, das wieder vor der Nordwand platziert werden sollte, wobei das Landesamt für Denkmalpflege abermals darauf hinwies, dass eine Orgel einen schwerwiegenden Eingriff in die Bausubstanz des gotischen Doms bedeuten würde. In langwierigen Verhandlungen kristallisierte sich heraus, die Orgel an vier 30 mm dicken Stahlseilen, die mit einer Fachwerkkonstruktion im Dach des sog. “Eselsturms” (Rest des romanischen Vorgängerbaus) verankert sind, abzuhängen. Statisch plante man mit einem Vielfachen der Traglast, denn rechnerisch könnte ein einziges 15 mm dickes Seil die komplette Orgel mit ihren fast 37 Tonnen tragen. Ein Novum stellt der Zugang zum in 15 Metern Höhe liegenden Spieltisch dar: Dieser geschieht durch einen Fahrstuhl, der links aus dem Orgelgehäuse herausfährt und zum Boden abgelassen wird. In eingefahrenem Zustand ist dieser nicht zu sehen.
Den Auftrag zum Bau dieser Orgel mit 80 Registern erhielt die Firma Rieger aus Schwarzach/Vorarlberg. Der Prospekt, der zwar optisch in Freipfeifen ausgeführt ist, steht aber trotzdem in einem geschlossenen Gehäuse, das von einem Stahlrahmen stabilisiert wird. Der Werkaufbau ist dabei deutlich erkennbar: Ganz unten befindet sich das Solowerk, links und rechts flankiert vom auf Sturz stehenden Pedal, darüber das schwellbare Positiv. Über der Spieltafel steht das Hauptwerk und ganz oben das Schwellwerk. Ein zweiter per Lichtleiter angebundener Spieltisch wurde in das Chorgestühl im Altarraum integriert. Von beiden ist auch die Chororgel spielbar, wobei deren Positiv beim Orgelneubau entfernt wurde. Den Spieltisch der Chororgel, der sich an der rechten Seite befand, baute man nach einigen Jahren ab. Die Weihe der neuen Orgel erfolgte am 22. November 2009.
Die große stilistische Bandbreite ermöglicht die überzeugende Darstellung jeglicher Orgelliteratur, die vielfältigen, warmen und differenzierten Klangfarben inspirieren zur Improvisation.